Veitenstein

Der Lussberg gehört zum sogenannten „Oberland“ der Hassberge und erhebt sich 461 m über dem Meeresspiegel. Westlich der ehemaligen Nord-Süd-Altstraße, der sog. Hohen Straße als Verbindung zwischen Thüringen und dem Bamberger Kessel erhebt sich von Reckendorf aus langsam aufsteigend bis oberhalb der Ortschaft Lussberg in Ost-West-RIchtung eine blanke Felsformation, der „Veitelstein“ oder auch „Veitenstein“. Durch Auswaschung von Tongallen, ehemals biologischen Ablagerungen oder aufgrund eines Erdbebens hat sich hier eine Spalte aufgetan und gibt den Zugang zu weiteren unterirdischen Hohlräumen frei.

Schon in frühesten Zeiten muss diese Steinformation die Phantasie der Menschen angeregt haben, denn sagenartig sind die Erzählungen, welche sich um diesen Fels ranken.

Systematische Erforschung des Veitensteines

Erste schriftliche Vermutungen über diesen Ort äußerte der ehemalige Lehrer K. Spiegel um das Jahr 1910. Neben dem einzigen bis 1892 bekannten Raum, dem volkstümlich bekannten „Geißstall“ mit einer Wächternische, entdeckte er damals zwei weitere Hohlkammern.

Spiegel deutete sie als heidnisches Heiligtum, an dem man sich durch einen „Abstreifeffekt“ von Sünden oder Makeln reinigen konnte. Kleine Lichtnischen als erkennbarer Standort für kleine Öllämpchen lassen den Einfluss einer menschlichen Hand erkennen. Auch bankähnliche Steinformationen im Inneren vermutete er als nachträglich eingehauene Sitzgelegenheiten. Im Außenbereich weisen sechs gegenüberliegende kleine Aushölungen auf die ehemalige Anbringung eines auf Latten ruhenden Laubdaches, und könnte somit auf die Behausung eines Eremiten hinweisen, wie der Volksmund erzählt.

Ungefähr Vierzig Jahre später (1951) beschäftigte sich der Archäologe Dr. Hans Jakob mit dem Veitenstein und erklärt das sogenannte Querkelesloch“, die röhrenartige Verbindung in die erste Kammer, als natürlichen Kluftwasserstollen. Eine erste Erwähnung des „Veyelstein“ in den erhaltenen schriftlichen Quellen erfolgte im Jahre 1469, wobei der Name während der folgenden Jahrhunderte vielfältige Schreibweisen erfährt, die von dem Namen „Veit“ weitgehend abweichen. Die am Eingangsbereich der Höhle und der Röhre in den Stein eingeritzten christlichen Symbole – „Nazaren(us) Jesus“ – lassen sich auf die zweite Hälfte des 15. oder ins 16. Jahrhundert datieren. Daneben finden sich Wiederkreuze und Drudenfüsse eingemeißelt.

Sechs Jahre später schliesst sich Dr. Jakob der These an, dass sich der ehemalige Burgkaplan von der Stufenburg oder ein anderer Geistlicher entweder bereits nach dem Bauernkrieg (1525) oder dem Markgräflerkrieg (1553) hier als Einsiedler niedergelassen hatte.

Ebenfalls 1957 beschäftigte sich eine Höhlenforschergruppe aus Ebelsbach-Eltmann mit der Felsspalte und entdeckte nach der Entfernung von weiterem Füllmaterial die zwei Kammern – den „Dom“ oder „Kapelle“ und die „Lagerstätte“, welche bereits Spiegel bekannt waren. Auch sie deuteten den Veitenstein als heidnische Kultstätte, die durch die Benennung nach dem heiligen Veit, der auch der Patron der benachbarten auf spätromanische Zeit zurückgehenden Kirche von Gerach ist, „christianisiert“ wurde.

16 Jahre später, im April 1973, beschäftigten sich erst wieder Neugierigen – die spätere Hassbergverein-Ortsgruppe Veitenstein-Breitbrunn – mit dem Terrain und stellten schnell fest, dass der eigentliche Zugang durch Erdbewegung, Pflanzenteile und Abfall verworfen war. Eine schmale röhrenartige Öffnung lockte jedoch, weitere Erkundigungen über den Veitenstein einzuholen. Als Experte für die Sagen und Erzählungen aus dem Volke erwies sich Leo Hofmann aus Lussberg.

Man ging daran, den Zugang wieder frei zuräumen, was durch die Enge der Spalten sehr viel Einfallsreichtum im Abtransport des Füllmaterials erforderte. Darin gefundene Töpferscherben ließen sich frühestens in das 14. Jahrhundert datieren und gaben keinen weiteren Aufschluss über die ursprüngliche Nutzung der Höhle.

Sicher ist, dass man hier Schutz vor Feinden oder auch dem Wetter finden konnte. Desweiteren lassen die spätgotischen Majuskel mit Hinweis auf Jesus, den Nazarener, hier am Ort, eine im 15. Jahrhundert äußerst beliebte Heiliggrab-Verehrung vermuten. Die Einrichtung von in Szene gesetzten Heiliggrabdarstellungen in Hohlräumen war im Mittelalter verbreitet, wie das sogenannte „Heilige Loch“ an der Panzerleite in Bamberg noch überliefert. Inwieweit man dieses Brauchtum mit dem Volksglauben in Verbindung bringen kann, sich an einem solchen Ort zu reinigen, müsste näher untersucht werden.

Der hiesige Brauch jedenfalls, seinen Ausflug am 1. Mai zum Veitenstein zu unternehmen, scheint eine fränkische Tradition gewesen zu sein – man denke nur an das „Walberla“ in der Fränkischen Schweiz –, um nach der Walburgisnacht hier Schutz und Läuterung zu erfahren.

Die Sagen über die „Quärkel am Lussberg“, welche im Veitenstein ihr Zuhause hatten, sind nicht typisch ortsbezogen, sondern finden sich auch anderswo, z.B. am Staffelberg.

Die Erzählung über den „Veit vom Veitenstein“, einen RItter dessen Tochter von einem nicht standesgemäßen Jüngling entführt wurde, den er tötete, und das Mädchen darauf an gebrochenem Herzen starb, könnte jedoch durchaus einen wahren Kern beinhalten. In seinem Schmerz wurde der Ritter rasend und stürzte mit seinem Pferd über den steilen Felsen des Veitensteins. Die „Hufspuren“ des Tieres sind noch in dem Stein zu sehen. „Seitdem wandelt seine Gestalt in mondhellen Nächten um den Veitenstein und findet keine Ruhe“.

Quelle: Gebrüder Köder, Günther Geiling und Leo Hofmann (Hg.), Rund um den Veitenstein, o.O. 1983.

Text und Zusammenstellung: Adelheid Waschka, M.A., Archivarin & Kunsthistorikerin, Hallstadt

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